Reiseberichte aus der Mongolei Jens Geu

Sandmeer, Seen und Berge - der Mongol Els 

Die Mongolei im Jahr 2015 ist definitiv nicht mehr die des Jahres 2005. Asphaltstraßen ziehen sich von Ulaanbaatar weit in die Wüsten, Gebirge und Steppen des Landes. Reisebusse bringen Passagiere in 10 oder 12 Stunden dorthin, wo man früher drei Tage unterwegs war. Die PKW der ausflughungrigen Bewohner der Hauptstadt sorgen für Verkehr auf den neuen Asphaltbändern und die Motorräder der Viehzüchter schwimmen vom Fahrbahnrand zur Mitte und zurück da ihnen in Ermangelung der schmalen Reifenspur auf dem Steppenboden die Orientierung zu fehlen scheint. Da wo man entlang der Straßen die sogenannten touristischen Hotspots ausmachen kann findet man auch meist gleich ein Touristencamp in der Nähe, das seinen Gästen, vornehmlich aus Ulaanbaatar, ein paar unterhaltsame Stunden verspricht. Es gibt aber in dem riesen Land auch noch die andere Seite, beeindruckende Landschaften, abseits der Straßen, ganze Regionen in denen die Baumaschinen der Konzerne noch nicht angekommen sind und wo sie wohl auch nie zu sehen sein werden. Man kann sagen vergessene Flecken in denen keine großen Bergwerke eröffnet haben, wo die Siedlungen ohne Bedeutung einfach nur die Grundversorgung abdecken und Orte wo im Zuge der Lonely Planet Erschließung einfach niemand vorbeigekommen ist und eine Fährte gelegt hat.
Ziel der diesjährigen Reise ist eine solche Ecke, der Mongol Els, das flächenmäßig größte Sanddünengebiet der Mongolei, eine Wüstenlandschaft die sich an ihrem östlichen Rand sogar mit Waldinseln der Gebirgswaldsteppe trifft und die Seen beherbergt an denen man sogar Angeln kann.
Um dorthin zu gelangen wählt man am besten die Asphaltstraße von Ulaanbaatar bis Tosonzengel. 

 Hochgebirgssee Terchin Zaagan Nuur 

Vorbei an dem Canyon des Tschulut Flusses und dem Hochgebirgssee Terchin Zagaan Nuur, über den Solongtin Pass, der dieses Jahr im August bereits den ersten Schneesturm erlebte, durch das einmalige Tal des Ider Flusses bis nach Tosonzengel wo man auf Spuren der deutschen Entwicklungshilfe trifft, die dort zum Spott der Bevölkerung eine Wasserkraftanlage an den Fluss gesetzt haben, die nur ein halbes Jahr lang Strom liefert, den Rest ist sie zugefroren. Tosonzengel ist die kälteste Siedlung der ganzen Mongolei.
Tosonzegel ist auch gleichzeitig der Ort, an dem sich die Wege trennen, zum einen führt die Hauptroute weiter nach Westen, die andere nach Süden zur Bezirksstadt Ulijastai. In Tosonzengel endet auch vorerst die Asphaltstraße, sie beginnt aber in Richtung Westen nach etwa 200 Kilometern wieder und stellt mittlerweile eine fast durchgehende Verbindung bis zur russischen Grenze her. Im Ider Tal waren im August noch die Baumaschinen unterwegs und die Behelfswege in einem so erbärmlichen Zustand, dass selbst erfahrenen Off Road Piloten der Schweiß auf der Stirn stand, spätestens im nächsten Sommer dürfte das aber Geschichte sein und man kann dann völlig entspannt in einer Stunde von Ich Uul nach Tosonzengel rollen und die Schönheit des Tales wieder genießen. 

                             

                                     der Blick auf den Kamm des nördlichen Changai                          

Die Fahrt zum Mongol Els führt noch eine Weile Richtung Süden auf der Hauptpiste, also in den Changai hinein. Hier muss man auch schon ein wenig aufpassen um die Hauptspur nicht zu verlieren, es ist noch eine der klassischen mongolischen Pisten, wo die Spuren sich mal aufteilen, irgendwann wieder zusammenfinden oder auch nicht, wenn man nämlich mal eine Abzweig in eine Siedlung erwischt hat. In dem Fall suchen wir aber gerade den Abzweig, nämlich den nach Yaruu. Der findet sich dann auch sinnigerweise an einem Häuschen, das sagen wir eine Suppenküchen Raststätte sein soll. Nach der alten russischen Topo Karte gibt es jetzt zwei Möglichkeiten eine südliche und eine nördliche um den Bergzug, wir nehmen die südliche und bereuen die Entscheidung nicht. Der Weg ist gut und absolut einsam, ein leicht ansteigendes Steppental mit kleinen Felsformationen, kein Tier, keine Jurte, die Harmonie in der Abendsonne. Irgendwann soll zum vollen Genuss auch noch ein kleiner Bach dazukommen und zwar genau dort, wo sich nördlicher und südlicher Weg wieder treffen und genauso ist es auch. Für nicht mal einen halben Kilometer plätschert ein kleiner Bach, er entspringt und versickert wieder, einfach so. Die russische Karte aus den siebziger Jahren hat wieder mal bewiesen wie genial sie ist und der Platz empfiehlt sich somit geradezu für ein Lager, lediglich der Wind macht den Zeltaufbau ein wenig hektisch, aber wie fast immer ist nach Sonnenuntergang dann auch Ruhe in der Luft.

 Ein Campplatz zum Meditieren          


Die Weiterfahrt am nächsten Morgen führt erst mal auf eine Passhöhe von wo aus sich eine Wanderung geradezu anbietet. Die Steppe hier oben ist eigentlich Tundra, mit kleinen Sträuchern, Gräsern und Pflanzen der eher nördlichen Regionen dieser Erde im Gegensatz zur Steppe drei, vierhundert Meter tiefer ist hier auch schon herbstbraun angesagt und einzelne Schneeflecke bilden weiße Tupfer. Der Versuch den eigentlichen Hochpunkt des Kammes zu erreichen scheitert an der Zeit, nach anderthalb Stunden straffen Fußmarsch ist er immer noch nicht erreicht, immer wenn eine Kante am Horizont erreicht ist steigt das Gelände danach immer noch leicht an. Vermutlich liegt der eigentliche Hochpunkt mindestens 6 oder 7 Kilometer vom Pass. Also kein Gipfel, aber endlose Weite und zwischen zwei Gebirgsketten am Horizont der Blick auf den markanten Kegel des Otgon Tenger, dem einzigen Viertausender im Changai.

  Tundra im nördlichen Changai

Am Nachmittag ist dann die ziemlich versteckt liegende Siedlung Yaruu erreicht, denn nur von dort kann man das Tagesziel, den Khar Nuur See erreichen, einen direkten Weg versperren die fast 3000 Meter hohen Bergketten. Das der Ort ziemlich abseits liegt fällt schon bei den Läden auf, zwei, drei die gerade geöffnet haben und das Angebot echt mager. Es gibt also kaum einen Grund länger zu verweilen, außer vielleicht mal nach der richtigen Spur zum See zu fragen, denn unmittelbar um die Siedlung herum gibt es natürlich wieder eine Menge von Wegen, die dafür in Frage kommen. Die von der Richtung her scheinbar direkte Verbindung wird von den Einwohnern nicht empfohlen, man solle lieber zunächst einen Hauptweg Richtung Norden fahren und dann mal nach Westen abbiegen. Die Landschaft ist eher unspektakulär, Steppenberge grenzen den Blick ein und am Talgrund fließt ein kleines Flüsschen. Dann aber kurz nach einem Pass, kommt ein landschaftliches Spektakel, Gebirgszüge bis 3000 mit Restschnee auf den Gipfeln, leichte Sandünenstreifen die in die Berge zu wandern scheinen und weit hinten eingebettet von Bergen, die unglaublich blaue Wasserfläche des Khar Nuur.

     

Eigentlich ist das hier Steppenklima und Vegetation, doch schon kurz vor Erreichen des Seeufers steigt eine Sanddüne rund 50 m nach oben, die sich an eine Felsformation anlehnt. Am nördlichen Ufer des Sees zieht sich eine Dünenkette vor der Kulisse einer schroffen Bergkette hin, deren Schneefelder kaum zum gelben Sand passen wollen. Am Rande der Dünenkette und nahe dem Seeufer findet sich dann auch der Traumplatz zum Campen schlechthin. Das Wasser im See ist warm und trotzdem sehr klar, also zumindest im August ein unerwartetes Badeparadies in knapp 2000 m Höhe.
Mit einer Länge von ungefähr 15 Kilometern ist der Khar Nuur eher klein im Vergleich zu den weiter westlich liegenden Seen, Uws Nuur, Khyrgas Nuur oder dem Khar Us Nuur, aber keiner der großen kann eine so abwechslungsreiche Landschaft vorweisen. Teilweise rutschen die Sanddünen bis in das blaue Wasser hinein, am Südufer finden sich in den Kerbtälern des Gebirgszuges Waldinseln und auf der Nordseite sind die Bergflanken von Felsklippen durchzogen.
Eigentlich ist der eine hier vorgesehene Wandertag viel zu wenig für diese Landschaft, aber verbleibende Teil dieses Tage reicht wenigstens noch um die naheliegenden Sanddünen etwas zu ergründen und die Route für den nächsten Tag festzulegen.

Der Wind trägt den Sand aus den westlichen Wüstenebenen hier bis in über 2000 m Höhe 


Der Morgen am See verspricht sonniges Wetter, was unter den Bedingungen natürlich auch Hitze bedeutet. Am vielversprechendsten bietet sich eine Route durch eine Dünenlandschaft im direkten Aufstieg zu einem Gipfel an, der einen naheliegenden Steppenberg krönt. Gleich am Beginn des Weges fällt eine frische Wolfsspur im Sand auf, Wölfe sind natürlich nichts ungewöhnliches in der Mongolei aber im Sommer kaum sichtbar, so ist eine aktuelle Spur im Sand schon interessant, da man nun weis, dass es in der Nacht Besuch um das Lager gegeben haben muss. Die Dünen schaukeln sich förmlich die Gebirgsflanke hinauf, so dass auch immer wieder kleine Abstiege notwendig sind, schweißtreibend, da ohne jeden Schatten. Die kleinen Pflanzen die gelegentlich zu finden sind kann man getrost der Gobizone zuordnen und das Gestein ist von Wüstenlack überzogen. Ganz anders wird das dann hundertfünfzig Höhenmeter weiter oben und zwei Kilometer weiter.

Das nördlichen Seeufer bestimmen Dünen, auf der Südseite findet man kleine Lärchenwälder  

Die Dünen enden und nach ein paar Metern Flugsandfläche liegt begrünter Steppenboden vor uns. Fester, brauner Boden mit Gräsern und Steppenkräutern und allem was dazugehört, inklusive der Löcher von Zieselbauen und anderen Nagern. In diesem Terrain ist es natürlich kein Problem mehr ordentlich vorwärts zu kommen und bis zum Mittag den Gipfel zu erreichen, der liegt immerhin rund 400 m über dem See und bietet einen beindruckenden Ausblick. Der See liegt praktisch in einem Kessel, der vom Sand verfüllt wird, der beharrlich von Westen herangeweht wird. Zwischen Gebirgszügen am Horizont öffnet sich auch ein schmaler Blick in Richtung des über 100 Kilometer langen Dünenstreifens im Westen, der praktisch vor dem Gebirge liegend die Winde mit neuem Sand speist. Das ist hier oben so einer der Orte in der Mongolei, die auf einen Mitteleuropäer so absolut unwirklich wirken, weil man das was sich hier zeigt so gar nicht eingeordnet werden kann, eine Kombination von Landschaftsformen die eigentlich nicht zusammenpassen wollen. Um auf dem Abstieg noch mehr entdecken zu können soll er dem direkten Weg zum See folgen, was hier bedeutet rund drei Kilometer durch oft bizarr geformte Sanddünen. Wenn anderswo der Sand oft gleichartige Sicheldünen bildet, hier in der bewegten Gebirgslandschaft bildet der Wind immer neue Formen, mal klassische Sichel, mal sind es glatte aber an den Berg geneigte Flächen, dann wieder Trichter oder sogar Dünenkämme die optisch wie Überhänge wirken. Unten im wirklich tiefblauen See ist eine weiße Insel mit schwarzen Punkten zu erkennen, mit dem Fernglas kann erkennen, das die vermeintlichen schwarzen Steine Kormorane sind, zweitausend, vielleicht sogar dreitausend. Die Insel selbst wird so um die fünfzig Meter messen. Der Weg durch die Dünenlandschaft ist da nun abwärts weniger mühsam als der Aufstieg und das Seeufer als Ziel vor Augen zieht wie ein Magnet. Die Insel der Kormorane liegt in einer kleinen Bucht und anders als sonst besteht das Ufer hier aus weißem Kies, dem gleichen Gestein aus dem wohl die Insel ist. Eine Traumbucht, wäre da nicht, ja wäre nicht der Geruch nach Fisch, den man erst warnimmt wenn man dann wirklich am Ufer steht. Um es genauer zu sagen, es riecht nach den Resten der Fischmahlzeiten von tausenden Kormoranen, also besser doch nicht hier baden, keine hundert Meter von der Vogelkolonie entfernt. Beobachten konnte man die Fischräuber schon am Morgen, da flogen alle in die Mitte des Sees, bildeten so etwas wie eine fliegende Spirale knapp über dem Wasser und trieben damit förmlich die Fische zusammen. Die schwarzen Vögel jagen auch nicht nur zusammen, sondern alle nisten letztendlich in der Kolonie auf der kleinen Insel.

Die Komoraninsel bietet optimalen Schutz für die Fischräuber

Um wieder zum Campplatz zu gelangen ist noch ein gutes Stück Weg am Ufer zurückzulegen, eine Strandwanderung sozusagen, begleitet von Möwen und einer langsam sinkenden Sonne aber alles in 2000 Metern über dem nächsten Meer, das hier fast 3000 Kilometer entfernt ist.

Die Zelte stehen gut einen Kilometer entfernt von einer kleinen Ansammlung aus drei Jurten und einem einfachen winzigen Haus. In dem lebt der einzige Fischer am See und ab und zu auch eine betagte und bekannte Wissenschaftlerin, die in einigen mongolischen See schon vor dreißig Jahren Fische eingesetzt hat, so auch hier. Zeitweise hatten die Bestände sich soweit vermehrt, dass es ein richtiger Wirtschaftsfaktor in der Region war, Omul vom Khar Nuur für Ulaanbaatar, heute, mit den massenhaft auftretenden Komoranen dümpelt die Fischerei eher so vor sich hin. Der Fischer hat uns für den nächsten Morgen zu einer Bootsfahrt zu den ausgelegten Netzen eingeladen, nachdem das Angeln vom Ufer aus nichts gebracht hat. Aus dem nächsten Morgen wird dann aber eher der nächste Mittag, denn so richtig will man eigentlich nicht weg von dem einladenden Ort, denn nach der Bootsfahrt ist die Weiterreise angesetzt. Der Blechkahn des Fischers hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen, aber abgesprochen ist abgesprochen. Der Fischer rudert ungefähr fünfhundert Meter hinaus und zieht ein an einer Boje befestigtes Netz nach oben. An dem hangeln wir uns jetzt rund 600 Meter mit dem Boot entlang und suchen nach Fischen. Da er aber das ganze schon zwei Stunden vorher auch einmal gemacht hat, findet sich leider nichts im Netz, was soll es, allein dem Fischer sieht man die Enttäuschung an, als wir uns verabschieden.
Eigentlich wollen wir vom See in Richtung Westen weiterfahren, also entlang der Dünen des Mongol Els, ein direkter Weg dahin ist aber höchstens mit Kamelen machbar, Berge und Sand versperren die Ausfahrt aus dem Talkessel und lassen nur einen Bogen Richtung Süden als Alternative zu. Aber auch die hat es in sich, der russische Furgon schraubt sich am Ende zwischen Sumpflöchern und Steinbrocken bis auf 2650 Meter hoch, ein Pass, der wohl alle paar Tage mal benutzt wird. Auf der anderen Seite ist das Gelände zwar weniger dramatisch, dafür warten die gerade im Changai so berüchtigten Schräglagen in den Fahrspuren. Nach solchen Passüberquerungen, gerade im Changai ist man dann doch immer wieder froh, wenn eine halbwegs normale Fahrspur zur Verfügung steht. Kontinuierlich sinkt die Höhenlage in Richtung Westen ab und das bedeutet die Vegetation ändert sich. Aus Gebirgssteppe mit Blumen und einem satten Grün wird Steppe mit recht trockenen Gräsern und letztendlich eine Wüstensteppe in der die Vegetation den Boden nur noch teilweise bedeckt.

Hier spielt der Breitengrad keine Rolle für die Abfolge der Vegetation, das ist hier vielmehr eine Frage der Höhenlage und damit der Gesamtniederschläge, der Durchschnittstemperaturen und der Sonnenintensität. So richtig wüstenhaft ist es dann auch am westlichsten Punkt der Reise, am Kreiszentrum Urgamal aber bevor das erreicht ist, ist nach eine Übernachtung am Fluss geplant. Das besondere dieses Flusses ist, das er praktisch direkt vor den über 100 m hohen Dünen des Mongol Els ein grünes Band mit fetten Weiden bildet. Leider ist aber das Wasser abschnittsweise recht trübe, insbesondere dort wo er recht langsam fliest und auch tausende von Herdentieren die Weiden am Ufer bevölkern.

Entlang des Flusses stehen auch immer wieder Jurten und einsame Plätze findet man eher dort, wo der Fluss mal etwas enger eingezwängt zwischen steinigen Hügeln gefasst ist. Auf dem breiten grünen Uferstreifen lässt aber bequemer ein Zelt aufbauen und Nachbarn zum kurzen Jurtenbesuch sind auch in der Nähe. In der Nacht macht sich auch deutlich die für die Mongolei geringe Höhenlage von rund eintausenddreihundert Metern bemerkbar, es ist richtig warm. Am nächsten Tag folgt die Piste weiter dem Chungii Fluss bis zum Kreiszentrum Ugmaral, ein staubiges Nest, das wirklich von allen vergessen erscheint. Kein Ort zum Verweilen, die Bedeutung hat er aber wohl der Brücke über den Fluss zu verdanken und der Tatsache, dass von hier aus die einzige Möglichkeit besteht den Mongol Els zu queren und auf die nördliche Seite zu gelangen. Ganz ohne Probleme geht das trotzdem nicht und der Furgon muss oft den Schwung ausnutzend sandige Abschnitte überwinden. Auf der Nordseite des Dünengebietes entfernt sich die Piste aber doch deutlich weiter vom Sand und klettert letztendlich sogar in ein Felsengebirge, dessen rotes Gestein eine perfekte Westernkulisse bieten würde.

Selbst die runden Kugelsträucher die immer durch das Bild kullern fehlen nicht. Allerdings sind die jetzt noch blaugrün und fest mit dem Boden verbunden. In zwei, drei Wochen ist die Form dann schon richtig rund und die Wurzel stößt das vertrocknete Geflecht ab, die Kugel geht dann auf die Reise, auch hier in den mongolischen Wüstensteppen. Wer Glück hat kann sogar die Blüte dieser sehr speziellen Sträucher erleben, hunderte winzige Sternchen an einem Strauch, Blau, Rot, Violett oder Gelb, ein Schauspiel. Das Ziel der Tagesetappe ist aber der Bayan Nuur, ein See unmittelbar am nördlichen Rand der Dünenlandschaft gelegen. Um dahin zu gelangen muss man die Piste nach Santmargatz verlassen und sich nach Süden wenden. Die Spur dahin führt kontinuierlich bergab, in die Senke, die den abflusslosen See erst ermöglicht. Mit knapp 1500 Metern liegt der immerhin schon fünfhundert Meter tiefer. Der See präsentiert sich als ein weiteres Naturspektakel, das gesamte gegenüberliegende Südufer wird von um die fünfzig Meter hohen Dünen gebildet, eine satte grüne Uferzone und oft kiesiger Strand. Wegen der Aussicht auf Anglerglück wählen wir aber eine felsige Stelle am Ostende, wo der See eine Art Wurmfortsatz bildet, die Mongolen vor Ort reden aber in dem Fall von zwei Seen, die Verbindung ist auch nicht mehr als fünfzig Meter breit.

      

Hier fängt jeder etwas - der Bayan Nuur liegt am Rande der Megadünen 

Es dauert kaum zwanzig Minuten und der erste Halbmeterfisch hängt am Haken, nochmal zehn Minuten später der zweite und dann der dritte. Das man hier spielend sein Abendbrot selbst fangen kann, wissen aber auch die Leute vor Ort denn alles deutet daraufhin, dass dieser Platz häufig besucht wird und leider ist dann auch entsprechend viel Müll zu finden. Ein Problem, dem man in der Mongolei wirklich mehr Beachtung schenken sollte, das Land ist zwar riesig, aber gerade bei der Suche nach Übernachtungsplätzen landet man irgendwie häufig dort, wo andere es auch schon schön fanden und dann trifft man auf deren Müll. Auch im Umkreis der Jurten der Viehzüchter macht man sich meist nicht viel Mühe, Flaschen, Gläser, alte Teile die nicht mehr zu gebrauchen sind schön verteilt in der Landschaft endzulagern.
Da der Bayan Nuur ziemlich genau fünfhundert Meter tiefer liegt als der Khar Nuur ist das Wasser noch deutlich wärmer und jetzt gegen Ende August absolut badefreundlich, eine Outdoor Wohlfühloase also.
Die Etappe am nächsten Tag führt wieder über ziemlich selten befahrene Pisten in die Nähe des Kreiszentrums Zezen Uul. Auf der relativ kurzen Strecke kann man trotzdem wieder die ganze Palette der Landschaftsbilder erleben, von langgezogenen Sanddünen durchzogene Täler, ein Salzsee inmitten von zweieinhalbtausend Meter hohen Bergen und ganz zum Schluss einen Campplatz vor einer dicht bewaldeten Bergkette.

     

Bewaldet sind hier wieder typischerweise die Nordhänge, zumindest solange nicht die Motorsäge zum Brennholzmachen in großem Maßstab eingesetzt wird. Das ist leider ein weiteres ökologisches Problem, neben der Müllgeschichte. Hatte man früher fast ausschließlich mit getrocknetem Dung die Jurte geheizt, so finden heute hauptsächlich Holzscheite den Weg in den Ofen. Es stört auch kaum, dass dies eigentlich verboten ist, Gesetze die in Ulaanbaatar von der Stadtbevölkerung gemacht werden, akzeptiert man hier draußen nur widerwillig. Die Familie die in der Nähe des Campplatzes ihre Jurten stehen hat, ist gerade dabei Johannis- und Stachelbeeren für das Kochen zu Marmelade vorzubereiten. Die Leute haben definitiv keinen Garten und auch noch nie etwas angebaut, der Bergwald bietet ihnen aber die Möglichkeit das wilde Beerenobst in beachtlichen Mengen zu sammeln. Mongolen essen also auch traditionell beileibe nicht nur Fleisch. Als wir am nächsten Morgen aufbrechen, haben wir auch ein großes Glas der exklusiven Marmelade dabei. Weit muss das an diesem Tag nicht mehr fahren, denn der nächste See bietet sich schon als Übernachtungsplatz an, der Telmen Nuur, ein Salzsee inmitten endloser hügeliger Steppe. Grundsätzlich hat der Telmen Nuur auch ein sauberes Badewasser zu bieten, Problem sind die überwiegend flachen Ufer wo das Wasser dann brackig wird, findet man aber eine etwas steilere und kiesige Stelle, ist auch hier ein Gang ins Wasser möglich, kommt allerdings gerade eine Pferdeherde zum Wasser, was hier nicht unbedingt selten ist, dann ist das Vergnügen für eine ganze Weile im wörtlichen Sinne getrübt. Hundert oder gar zweihundert freilaufende Tiere im flachen Wasser trabend, sind schon ein beeindruckendes Spektakel.
Gegen Abend kommt ein Viehzüchter am Lagerplatz vorbei, der sich sichtlich darüber freut mal ein paar unbekannte Gesichter zu treffen.
Von hier ab geht die Reise wieder auf der alten Route der Hinfahrt. Der Solongtin Pass wird gequert, es gibt nochmal einen wunderschönen Campplatz am Terchin Zaagan Nuur und am Tamir Fluss wird die Angel letztmalig ausgeworfen, leider erfolglos.

  Campplatz am Tamirfluss

Wenn man nochmal einen Bogen spannen will zum Anfang der Schilderungen, es ist schon ein anderes Reisen in der Mongolei des Jahres 2015, sobald man aber die neuen Asphaltbänder in der Landschaft links oder rechts liegen lässt, ist man wieder unterwegs wie auch schon vor zwanzig Jahren und man findet andere Landschaften in die man eintauchen kann. Es sind dann nicht mehr nur die heute schon relativ bekannt gewordenen touristischen Höhepunkte, es sind neue aber nicht weniger beeindruckende Naturerlebnisse möglich. Anderseits kann der derjenige, der es bequemer haben will heute Landschaften aus dem Auto wie im Kinofilm vorbeiziehen sehen, bei hundert Kilometern in der Stunde, ohne ächzende Stoßdämpfer, Staubfahne und wühlende Räder in Schlammlöchern. Für die Landschaften selbst sind die neuen Straßen zugegebenermaßen nicht unbedingt abträglich, wenn sich statt zehn oder noch mehr staubigen Fahrspuren jetzt ein einziges schlankes schwarzes Band mit eleganter weißer Mittelnaht über einen weiten Bergsattel zieht.

neue Fernstraße vor dem Solongtin Pass macht das Reisen schneller

Jens Geu  2015